Fortsetztung des Interviews vom letzten Post.*
*
Selbstliebe scheint heute vielen Menschen schwer zu fallen, sie ist alles andere als selbstverständlich. Selbstzweifel scheinen – gerade Eltern – zu dominieren. Wie kann man Selbstliebe lernen?
Menschen tragen die Selbstliebe von Geburt an in sich. Wir haben nur in der Kindheit gelernt, uns nicht als liebenswerte Ebenbilder Gottes zu sehen sondern als fehlerhafte Wesen, die man erziehen muss. Weg damit! Es ist aber auch kein Drama, wenn man an sich zweifelt. Das gehört in der Erziehungskultur, in der wir groß geworden sind, eben dazu. Und: „Selbstliebe lernen“ - so geht das nicht. Sie ist ja da, und es kann einem irgendwie (?) widerfahren oder geschenkt werden, dass sie wieder aufblüht. Jeder ist da eingeladen, sich auf seine Sebstliebewiese plumpsen zu lassen, so wie wir das als Kinder konnten. Vielleicht gehört einfach ein bisschen Mut dazu, sich zu trauen. Sich zu vertrauen. Sich in Ruhe zu lassen. An sich zu glauben.
Auch wenn es Eltern gelingt, sich selbst zu lieben, löst das noch nicht alle familiären Probleme. Auch selbstliebende Eltern werden weiter mit ihrem Kind und miteinander Konflikte austragen müssen, auch miteinander streiten. Wo ist da der entscheidende Unterschied?
Noch einmal: Es muss Eltern nicht gelingen, sich selbst zu lieben. Das ist doch alles viel zu gewollt. Nichts muss. Nur: Wenn man sich mag, was ja vorkommen kann, dann lassen sich die Alltagsprobleme gelassener angehen. Konflikte wird es immer geben. Ich sag hü, das Kind sagt hott. Und dann gebe ich gelassen nach oder ich setze mich ohne Zimperlichkeit durch: „Es gibt nicht noch ein Eis!“ Das haben die Kinder natürlich nicht so gerne, es entstehen Ärger und Leid. So ist es, und das lässt sich auch nicht vermeiden. Und: Ich mag mich, wenn ich mich durchsetze! Weil mir das wichtig ist, weil es meinen Werten und meinen Vorstellungen vom Besten des Kindes entspricht.
Zum Unterschied: Ich muss den Kindern dann ihren Unwillen, Ärger oder Leid nicht wegpusten und madig machen durch ein „Sieh das ein“ und „Es ist doch nur zu Deinem Besten“. Nach jedem Regen scheint die Sonne ganz von allein. Wir müssen es uns nicht übel nehmen, wenn wir Steine im Weg der Kinder sind. Das gehört einfach dazu. Die Quadratur des Kreises, sich durchzusetzen und dabei noch ein Lachen hervorzulocken, muss sich niemand antun.
Bedeutet Selbstliebe, dass ich auf Erziehung verzichten kann? Wie soll ich mein Kind dann begleiten?
Auf Erziehung verzichten? Man kann darauf verzichten, sich im Umgang mit Kindern missionarisch, besserwisserisch, mit ungutem Sieh-das-ein-Ton über die Kinder emporzuschwingen. Ich habe den Begriff „Erziehung“ nicht so gerne, weil er diese Oben-Unten-Position normalerweise als Grundrauschen enthält. Aber lassen wir das, erziehen wir die Kinder einfach ohne diese traditionelle und pädagogische Erwachsenen-Macke. Erziehen wir instinktiv oder belesen oder beides. Verunsichert oder gefestigt oder beides. Wie es kommt. Selbstliebe hin oder her. Wie gesagt, seit Millionen von Jahren... Das wird schon!
*Der Böhme-Zeitung in Soltau bei Hannover gab ich anlässlich eines Vortrags ein Interview zum Thema "Selbstliebe und erziehen".